INTERACTIVE ART +
Goldene Nica
Bi0film.net: Resist like bacteria / Jung Hsu (TW), Natalia Rivera (CO)
“(…) reflects the younger generation’s courageous hope and drive for change, highlighting how the world is interconnected, from the microscopic bio world to the vast globe we live in.” (Auszug aus dem Statement der Jury)
Ende 2019 und Anfang 2020 bereiteten Grenzschließungen und Lockdowns Protestbewegungen rund um den Globus ein jähes Ende. Vielerorts stießen die pandemiebedingten Einschränkungen deshalb die Entwicklung alternativer und kreativer Formen des zivilen Widerstands an; „Bi0film.net“ ist ein Best-Practice-Beispiel. Inspiriert ist die Initiative von Bakterien und ihrer erstaunlichen Fähigkeit miteinander zu kommunizieren, schnell und flexibel auf veränderte Gegebenheiten zu reagieren und selbstorganisiert zu agieren. „Bi0film.net“ adaptiert den gelben Regenschirm – ein Symbol der Hongkong-Bewegung – zur parabolischen WiFi-Antenne. Fortan schützt ein solcher Schirm nicht mehr nur vor Regen, sondern dient vor allem auch der Kommunikation mit anderen. Der Schirm funktioniert als Antenne für einen Miniserver, Repeater oder Router und baut gleichzeitig ein nomadisches Netzwerk auf, das durch die Straßen ziehende Demonstrant*innen begleitet. Unterwegs verbindet und trennt sich dieses Netz organisch. Alle Teilnehmer*innen einer Demonstration können dem virtuellen Bi0film beitreten, um miteinander zu chatten, Dateien untereinander auszutauschen und diese zu speichern. Das Ziel von „Bi0film.net“ ist es, die Verbindung zu alternativen Netzwerken zu erleichtern und gleichzeitig zu unterstreichen, wie wichtig unsere Autonomie in Sachen Kommunikationstechnologien ist – gerade dort, wo autoritäre Regime Internetzensur als ein Instrument zur Unterdrückung von Menschen einsetzen.
Jung Hsu
ist eine taiwanesische Forscherin und New-Media-Künstlerin mit Sitz in Berlin. Sie versucht, interdisziplinäres Wissen mit künstlerischer Forschung zu verbinden, um heterogene Begegnungen zu schaffen. In ihrem Bildungs- und Lebensprozess versucht sie stets multiperspektivisch auf die aktuelle gesellschaftliche Situation zu reagieren und nutzt metaphorische Objekte, um ein spekulatives Szenario zu entwerfen. Ihre jüngsten Arbeiten konzentrierten sich auf Mikrobiopolitik und soziale Bewegungen. Sie studiert im Augenblick Kunst und Medien an der Universität der Künste Berlin.
https://junghsu.com/
Natalia Rivera
ist Medienkünstler und Designer. Ihre kreativen Prozesse konzentrierten sich auf die Entwicklung interaktiver Erfahrungen und eine biozentrierte Nutzung neuer Medien.
2012 gründete sie ein offenes und kollaboratives Labor für Forschung und Kreation rund um Kunst und neue audiovisuelle Medien namens Mutante.
2019 war sie Mitbegründerin und Mitorganisatorin des Suratómica Creation – Art & Science Network. Sie ist Studentin des Masterstudiengangs Visuelle Kommunikation – Neue Medien an der Universität der Künste Berlin.
Bi0film entstand im zweiten Teil des WS20/21 Digital Class-Projekts Convergence, das das Konzept der Konvergenz in Bezug auf die Realitäten, Diskrepanzen, Kontraste, Dringlichkeiten und Bedürfnisse, die 2020 offenbart hat, anhand des Artikels „Covid-19 im Jahr 2020. Das Jahr als sich alles änderte. Warum die Pandemie als Wendepunkt in Erinnerung bleiben wird“ von The Economist (Dez. 2020) als Referenz.
Weiterführender Link zum Projekt:
https://designtransferdemokratie.blog/2021/10/07/resist-like-bacteria-bi0film-net-by-jung-hsu-natalia-rivera/
Prix Ars Electronica
Der Prix Ars Electronica ist der traditionsreichste Medienkunstwettbewerb der Welt. Den Preisträger*innen winken die begehrten Goldenen Nicas, bis zu 10.000 Euro je Kategorie und der Auftritt beim renommierten Ars Electronica Festival in Linz. Zusätzlich sind mit dem vom österreichischen Außenministerium initiierten und 10.000 Euro dotierten Ars Electronica Award for Digital Humanity und dem Bildungspreis Klasse! Lernen. in Zusammenarbeit mit OeAD und BMBWF zwei weitere Preise ausgeschrieben.
2338 künstlerische Projekte aus 88 Ländern wurden beim Prix Ars Electronica 2022 eingereicht. Die meisten Einreichungen verzeichnete die Kategorie „Interactive Art +“ mit 928 Projekten, gefolgt von der Kategorie „Computer Animation“ mit 657 Arbeiten. In der Kategorie „Digital Communities“ wurden 395 Projekte eingereicht. Die österreichweit ausgeschriebene Kategorie „u19-create your world“ verzeichnete 358 Einreichungen. Der wie immer hochkarätigen internationalen Jury des Prix Ars Electronica gehören diesmal Isabelle Arvers (FR), Peter Burr (US), Daito Manabe (JP), Rebecca Merlic (HR/AT), Helen Starr (TT), Rashmi Dhanwai (ID), Thomas Gegenhuber (AT), Sarah Kriesche (AT), Farah Salka (LB), Simon Weckert (DE), Jussi Ängeslevä (FI), DooEun Choi (KR), Rashin Fahandej (US), José-Carlos Mariátegui (PE/UK), Irini Papadimitriou (GR/UK), Sirikit Amann (AT), Reni Hofmüller (AT), Martin Hollinetz (AT), Conny Lee (AT) und Martin Retschitzegger (AT) an.
Die Goldenen Nicas gehen 2022 an Ory Yoshifuji und Ory Lab (JP) für „Avatar Robot Cafe DAWN ver.β“, Rashaad Newsome (US) für „Being“, Jung Hsu (TW) und Natalia Rivera (CO) für „Bi0film.net: Resist like bacteria“ und Mary Mayrhofer (AT) für „Die Schwarze Decke“.
Die Gewinner*innen der Goldenen Nicas dürfen sich über ein Preisgeld von 10.000 Euro freuen, die Goldene Nica in der Kategorie „u19-create your world“ ist mit 3.000 Euro dotiert. Als „Visionary Pioneer of Media Art“ wird diesmal die US-Künstlerin Laurie Anderson geehrt.
Parallel zum Prix Ars Electronica wurde heuer der zweite “Ars Electronica Award for Digital Humanity” ausgeschrieben – möglich gemacht wird die 2021 initiierte Auszeichnung auch diesmal wieder durch das Ministerium für Europäische und Internationale Angelegenheiten. Der Preis holt Projekte vor den Vorhang, die ein grundlegendes Umdenken hinsichtlich unseres Umgangs mit Technologie anstoßen wollen. 2022 geht der „Ars Electronica Award for Digital Humanity“ an Sarah Newman (US), Kasia Chmielinksi (US) und Matthew Taylor (US), auszeichnet wird ihr „Data Nutrition Project“. Die Gewinner*innen erhalten 10.000 Euro.
Text- und Photocredit: Prix Ars Electronica