Deike Lautenschläger: Das Glück verkehrt herum

Das Glück verkehrt herum

“Das Glück verkehrt herum”
Während man sich im Deutschen das Hirn nach so raren Beispielen zermartert wie „Wer nichts wird, wird Wirt“, fallen den Menschen im chinesischen Sprachraum auf Anhieb unzählige Anwendungen homophoner Wörter ein, also Wörter, die in der lautlichen aber nicht in der geschriebenen Form ganz und gar oder zumindest nahezu übereinstimmen, sich aber in ihrer Bedeutung unterscheiden.
Die hier ausgewählten Glücks- bzw. Tabuwörter reichen zurück bis in die Nördliche Song Dynastie oder sind aus aktuellen Geschehnissen gerade eben entstanden, werden aber gleichermaßen bis heute bewusst oder unbewusst im Alltag und vornehmlich an Feiertagen, an denen das Glück besonders herbei gewünscht wird, benutzt. In 60 atmosphärisch dichten Texten entsteht eine Mischung aus Geschichte, Mentalitäten, Kultur und derzeitigen Befindlichkeiten.

Das Regenmädchen ohne Melone

Das Glück verkehrt herum

In ihren Schuluniformen aus zerknitterten Blusen und kurzen Röcken, mit klobigen schwarzen Schuhen und weißen Kniestrümpfen sitzen die Oberschulmädchen in den Pausen auf den zerkratzten Holztischen eng beieinander. Sie streichen ihre langen schwarzen Haare glatt, kämmen den Pony und kichern und flüstern, bis ihre Wangen ganz rot und ihre Stirn ganz verschwitzt vor Aufregung sind. In den Klassenzimmern blasen die Klimaanlagen und die Ventilatoren vergeblich gegen die Hitze an. Die Jungen streichen um die Tuschelnden herum, erhoffen Wortfetzen aufzuschnappen, Wortgruppen zu erhaschen, aus denen sie Sinn machen können – zumeist vergeblich. Von Klassenstufe zu Klassenstufe verstehen sie ihre Mitschülerinnen weniger. Frühere Freundschaften zwischen ihnen haben sich längst aufgelöst. Seit den letzten Jahren der Mittelschule hören
sie andere Musik, sehen andere Serien, interessieren sich für andere Dinge, ja scheinen gar verschiedene Sprachen zu sprechen.
Wagt sich doch mal ein Junge an die Mädchentraube heran, womöglich vorgeschickt von den anderen Jungen, und bringt seinen ganzen Mut auf zu fragen, worum es eigentlich geht, zischen sie nur: Das Regenmädchen ohne Melone! 雨女無瓜! Yû nû wú guā! Schultern zuckend dreht er sich den hinter ihm wartenden Jungen um: Die Mädchen sprechen in Rätseln.

Lautenschläger, Deike
Das Glück verkehrt herum
Homophone in Taiwan
Fotografie & Illustrationen Liesbeth Cole
2022 · ISBN 978-3-86205-553-1
277 Seiten, Klappenbroschur, 19 s/w-Fotografien / 42 farbige Illustrationen · EUR 19,80

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Deike Lautenschläger

Deike Lautenschläger
Deike Lautenschläger wurde 1977 in Grimma geboren. Sie studierte Medien an der Bauhaus-Universität in Weimar und am Art Institute of Pittsburgh und war danach fünf Jahre als TV-Journalistin in Leipzig für öffentlich-rechtliche und private Sender tätig. Anfang 2005 ging sie nach Taiwan, mit der Absicht, für ein Jahr Chinesisch zu lernen, blieb dann aber für ein Masterstudium der Internationalen Kommunikation mit Schwerpunkt Asien und ein Ph.D. in Asia Pacific Studies (Migration) an der National Chengchi University Taipei.
Nach mehr als 16 Jahren in Asien, u. a. als Praktikantin in Singapur und Hongkong und als Deutschlehrkraft am Goethe-Institut in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi, ist Taiwan ihre Wahlheimat geworden. Sie veröffentlichte Kurzgeschichten in deutschen und österreichischen Literaturzeitschriften u.a. Entwürfe, Etcetera, Der Dreischneuß, manuskripte, Schreibkraft, Sterz und um[laut]. Jetzt lebt sie als freie Autorin und Deutschlehrerin in Taipeh.

Von Deike Lautenschläger haben wir früher auch schon das Buch “Fettnäpfchenführer Taiwan” besprochen.

Liesbeth Cole
Liesbeth Cole wurde in Belgien geboren und ist Grafikdesignerin und Illustratorin. Während ihres anderthalbjährigen Aufenthalts in Taiwan von 2020 bis 2021 entdeckte sie eine ganz neue Kultur, welche sie in Illustrationen und Fotos festhielt. Inspiriert von alltäglichen Momenten um sie herum, liebt sie es, die kleinen Freuden des Lebens hervorzuheben, die man oft vergisst. Sie ist bekannt für einfache und klare grafische Designs mit einem scharfen Auge für Typografie und Illustrationen, die auf ihrer Internetseite www.ellecreates.work zu sehen sind.

IUDICIUM Verlag
Schwerpunkt des 1983 in München gegründeten IUDICIUM Verlages ist Interkulturelles, vor allem die Vermittlung von Sprache, Literatur, Kultur und Gesellschaft der deutschsprachigen Länder in anderen Regionen der Welt und die Vermittlung anderer Kulturen, speziell der japanischen, im deutschsprachigen Raum.

Das Verlagsprogramm umfasst wissenschaftliche Publikationen aus dem Bereich der Germanistik sowie Diskussions- und Materialienbände aus dem Bereich “Deutsch als Fremdsprache”, außerdem wissenschaftlich fundierte Sachbücher über Ostasien, aber auch Belletristik und Biographien.

Zeitschriften und Reihen zu all diesen Themen, zum Beispiel das “Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache”, “CHUN Chinesisch-Unterricht” , “Hefte für ostasiatische Literatur”, “Iaponia Insula”, “Studien Deutsch” und die “Reihe interkulturelle Kommunikation (RiK)” runden das Verlagsprogramm ab.

Als wichtiges Standardwerk ist das „Große japanisch-deutsche Wörterbuch“ bei IUDICIUM erschienen. Mit dem Erscheinen des 3. Bandes im März 2022 wurde das an der Japanologie der Freien Universität Berlin angesiedelte Wörterbuch-Projekt erfolgreich abgeschlossen.
Link zum Projekt „Große japanisch-deutsche Wörterbuch“
Zusätzliche Info über den Verlag aus einem Beitrag im fachbuchjournal aus 2017.

Das gesamte Programm des Verlages finden Sie hier: www.iudicium.de

Photocredit: IUDICIUM Verlag GmbH